Interview mit Ulrich Jahrmann über seine Ausbildung am HOFA-College als blinder Teilnehmer

Im folgenden Interview erhältst Du einige interessante Infos von einem blinden HOFA-College-Absolventen.
Er berichtet einerseits über seine Ausbildung zum Audio-Engineer am HOFA-College und gibt andererseits einen Einblick über das von ihm genutzte Studio-Equipment.
Außerdem erfährst Du etwas über seinen Werdegang.

Florian:
"Hallo Ulrich, bitte stell Dich den Lesern einmal kurz vor."

Ulrich:
"Ich bin 31 Jahre alt und komme aus Graz, Österreich."

Florian:
"Wann hat Dein Interesse an der Musik- und Audio-Produktion begonnen?"

Ulrich:
"Da ich schon immer sehr musikalisch veranlagt gewesen bin, hat mich die Musik schon immer interessiert. Musik zu hören und mich mit klanglichen Veränderungen wie z.B. der Klangregelung an der HiFi-Anlage zu beschäftigen, war schon immer eine große Leidenschaft, die ich schon als Kind gerne hegte. Mit ca. 12 Jahren begann ich mich dann für Mischpulte und Tontechnik zu interessieren."

Florian:
"Woraus bestand Dein erstes Studio-Setup?"

Ulrich:
"Sagen wir mal so: Mein erstes vernünftiges Studio-Setup bestand aus einem Kassettenrekorder, einem Minidisk-Rekorder, einem kleinen 4-Kanal-Mischpult, einem Keyboard und einem dynamischen Mikrofon für meine eigenen Songs, zu denen ich höchstens zweistimmig gesungen habe. Die Begleitung des Keyboards und die erste Stimme wurden zuerst auf Kassette aufgenommen, und die zweite Stimme wurde dann dazu gesungen und dies auf Minidisk aufgenommen. Natürlich hatte ich damals noch nicht viel Ahnung von Mikrofonen, EQs, Effekten usw., aber das Ergebnis war doch einigermaßen akzeptabel."

Florian:
"Womit arbeitest Du mittlerweile?"

Ulrich:
"Im Laufe der Jahre ist mein Studio-Setup immer professioneller geworden, sodass ich mittlerweile alles digital mit ProTools 12 , dem Artist Mix als DAW-Controller und echten Studio-Monitoren erledige. Seit ca. 2000 arbeite ich mit Audio- und MIDI-Sequenzern, und auch hier begann ich zuerst mit einfacher Hardware zu produzieren, wenn auch die Software schon recht professionell war. Zuerst arbeitete ich mit Cakewalk Pro Audio 9, später mit dessen Weiterentwicklung Cakewalk Sonar und jetzt mit ProTools."

Florian:
"Wie bist Du ans HOFA-College gelangt?"

Ulrich:
"Das war eigentlich reiner Zufall. Ich habe den Link zu einem Artikel von Dir von einem Freund erhalten, und diesen fand ich so interessant, dass ich weitere Nachforschungen anstellte. So bin ich auf Dich und audiacc aufmerksam geworden und habe somit auf Deiner Homepage erfahren, dass Du das HOFA-College absolviert hast. Ich hatte davon vorher noch nie etwas gehört. Und da ich mich sowieso schon längere Zeit im Tontechnik-Bereich weiterbilden wollte, war das für mich der optimale Anreiz, ebenfalls das HOFA-College zu absolvieren. Also habe ich Dich gleich kontaktiert, denn was gab es für mich Schöneres, als mich mit einem HOFA-College-Absolventen zusammenzutun, der ebenfalls blind ist, so wie ich? Und Du hast schließlich meine anfänglichen Bedenken aus dem Weg geräumt und mich dann überzeugen können, dass es für mich als Blinder keine Schwierigkeit darstellen würde, das HOFA-College zu machen."

Florian:
"Hattest Du bereits schon länger vor, Dich im Bereich der Musik- und Audio-Produktion weiterzubilden oder kam das eher spontan?"

Ulrich:
"Wie bereits erwähnt, hatte ich schon länger vor, mich in diesem Bereich weiterzubilden, aber ich konnte keine geeignete Ausbildung ausfindig machen."

Florian:
"Hast Du auf Grund Deiner Sehbehinderung Probleme beim Absolvieren des Fernkurses gehabt? Wenn ja, welche waren es?"

Ulrich:
"Im Grunde habe ich überhaupt keine Probleme gehabt, im Gegenteil: Ich fand es nahezu einfacher, einen Fernkurs wie diesen zu absolvieren, bei dem ich meine eigene Ausrüstung wie DAW-Controller, Screenreader usw. verwenden konnte. Außerdem konnte ich mir so auch die Zeit flexibel einteilen, also wenn ich z.B. aufgrund meiner Blindheit für eine Sache etwas mehr Zeit benötigte, konnte ich sie mir auch nehmen. Diese Vorteile wären in einer normalen Schule oder Ausbildungsstätte vielleicht nicht so leicht realisierbar gewesen."

Florian:
"Du hast den HOFA-Pro-Kurs in diesem Jahr erfolgreich abgeschlossen.
Gibt es etwas, dass Dich an der Ausbildung am HOFA-College gestört hat?"

Ulrich:
"Nein, mir fällt nichts ein, was mich am HOFa-College gestört haben könnte. Hin und wieder brauchte ich jedoch sehende Unterstützung, wenn es z.B. um das Einscannen der theoretischen Unterlagen ging oder bei der Erklärung von Grafiken in den Skripten. Und mir ist auch aufgefallen, dass der Einsatz eines Analyzers sehr hochgepriesen wurde, wenn es darum ging, einen Mix zu beurteilen. Ich finde es ja grundsätzlich nicht schlecht, wenn man eine grafische Kontrolle des Mixes hat, aber erstens bringt das für uns Blinde nichts, und zweitens geht es doch darum, was man hört. Und wenn man seine Lautsprecher sehr gut kennt und weiß, wie ein ausgewogener Song zu klingen hat, müsste dies meiner Meinung nach reichen, einen Mix zu beurteilen, obwohl ich nicht abgeneigt wäre, einen Analyzer einsetzen zu können, einfach um zu kontrollieren, ob auch wirklich alles im Frequenzspektrum passt. Ich habe mich stattdessen immer an ähnlichen Songs als Referenz orientiert und darauf geachtet, dass das Frequenzspektrum meiner Mischung so nahe wie möglich an den anderen Song kommt."

Florian:
"Was hat Dir an der Ausbildung besonders gut gefallen?"

Ulrich:
"Ich fand es super, dass es zu jeder Lerneinheit hochwertige Klangbeispiele zum jeweiligen Thema gab, sodass ich mir einen guten Überblick über den Sound verschiedenster Instrumente mit verschiedensten Mikrofonirungen verschaffen konnte. So konnte ich gleich einen Eindruck davon bekommen, wie ein Instrument am besten klingen könnte, wenn es später um echte Aufnahmen geht. Und auch die Aufgaben zur Gehörbildung fand ich sehr hilfreich und vor allem interessant. Hauptsächlich ging es bei diesen Aufgaben um das Hören einzelner Frequenzbereiche, wenn sie angehoben oder abgesenkt wurden. Für mich waren diese Aufgaben nicht sonderlich schwer, da ich bereits Erfahrung im Hören von Frequenzbereichen hatte, als ich meine eigenen Songs arrangierte.
Was ich auch sehr toll fand, waren die Analysen meiner eingesendeten Praxismischungen. Es wurde sehr genau und individuell analysiert, und ich wusste immer gleich, was ich falsch gemacht hatte, oder wo es Verbesserungsbedarf gab. Grundsätzlich waren die Analysen sehr optimistisch, man wurde also zuerst immer dafür gelobt, was man im Mix gut gemacht hat, und erst nach und nach wurden die „negativen“ Aspekte des Mixes behandelt. Glücklicherweise erhielt ich mit den Analysen auch die Referenzmischungen, also konnte ich auch gleich vergleichen, wie die eigentliche Mischung klingen sollte, und man kam auch hier auf seine Fehler und etwaige Schwächen drauf."

Florian:
"Hättest Du mit Deinem jetzigen Wissen etwas anders gemacht, wenn Du den Kurs heute noch mal starten würdest?
Wenn ja was?"

Ulrich:
"Ich glaube, ich hätte im Grunde nichts anders gemacht, aber ich hätte in puncto Frequenzaufteilung und Räumlichkeit bei den Praxismischungen jetzt sicher besser darauf geachtet, dass der gesamte Mix ausgewogen klingt. Ich kann mich noch allzu gut an meine erste Praxismischung erinnern, da habe ich in Bezug auf die Räumlichkeit des Mixes zu wenig darauf geachtet, dass das gesamte Stereobild ausgefüllt ist, also dass der Song eine gewisse räumliche Stereobreite braucht, was bei der Referenzmischung, die ich danach erhalten hatte, durchaus der Fall war. Außerdem kannte ich damals meine Lautsprecher noch nicht so gut und wusste zu wenig über den Frequenzverlauf der Lautsprecher. Jetzt, wo ich über alles bescheid weiß, würde ich einen Mix anders angehen. Außerdem habe ich bemerkt, dass meine Ohren jetzt Dinge anders beurteilen als ich das vor dem Kurs getan hätte. Wenn ich jetzt Musik höre, dann höre ich gezielter auf einzelne Frequenzbereiche, die Räumlichkeit und die Tiefenstaffelung. Also ich muss schon sagen, der HOFA-Pro-Kurs hat mir sehr geholfen, Musik besser zu verstehen und zu beurteilen."

Florian:
"Was gibst Du Lesern mit auf den Weg, die sich ebenfalls für eine Ausbildung am HOFA-College interessieren?"

Ulrich:
"Ich würde sagen, man braucht nur Spaß an der Tontechnik und der Musik und sehr gute Abhörlautsprecher, alles andere ergibt sich dann im Laufe des Kurses praktisch von selbst. Die Lautsprecher finde ich deshalb wichtig, weil die Praxismischungen teilweise doch recht komplex sind und man dabei möglichst alle Details heraushören sollte. Man lernt viel über die richtige Raumakustik, Aufnahme- und Mixtechniken, Möglichkeiten und Grenzen von DAWs und noch vieles mehr. Zumindest ist das beim Pro-Kurs, den ich absolvierte, der Fall. Wenn man damit fertig ist und alle Schritte befolgt hat, hat man ein perfektes Tonstudio eingerichtet."

Florian:
"Abschließend noch eine Frage:
Wie wichtig war für Dich während Deiner Ausbildung die Unterstützung in Form meines Coachings?"

Ulrich:
"Ich fand das Coaching mit Dir äußerst hilfreich, zumal ich während des Kurses merkte, dass aufgrund der Komplexität der Praxismischungen meine damalige Studioausrüstung nicht mehr ausreichte, um die größere Anzahl an Spuren und Effekten verarbeiten zu können. So sattelte ich während des Kurses von Cakewalk Sonar auf ProTools um, auch der Artist Mix wurde angeschafft, was die Arbeit noch weiter erleichterte. Und so hatte ich ca. einen Monat Zeit, mir alles neu anzueignen. Dank Deines Coachings gelang es mir, während des Kurses problemlos umzusteigen, wir hatten ohnehin nur ca. einen Monat Zeit, bevor es dann auf die praktische Zwischenprüfung zuging. Ich glaube nicht, dass ich das ohne Deine tatkräftige Unterstützung geschafft hätte. Darum möchte ich mich nochmal ganz herzlich bei Dir bedanken, dass Du Dir so viel Zeit für mich genommen hast, um mir bei all meinen Fragen zur Seite zu stehen."

Florian:
"Herzlichen Dank für das Interview und auch die positiven Worte zu unserem Coaching!"

Ulrich:
"Es hat mich sehr gefreut."



Ein Beitrag von Florian Schmitz. Veröffentlicht am 05.08.2016

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